(Laufen) in der Schwangerschaft - ein Erfahrungsbericht / Teil 2

500 Kilometer und knapp 12.000 Höhenmeter. Das wird voraussichtlich jene zurückgelegte Distanz sein, die zwei kleine Wesen in mir und mit mir während der Schwangerschaft zurückgelegt haben. Eine Distanz, die ich in einem intensiven Trainingsblock in 1,5 Monaten laufe. In der jetzigen Phase bin ich unendlich dankbar, dass wir diesen gemeinsamen Weg zu Dritt gelaufen sind. 

 

Während ich viele Schwangerschaftswochen mit kleinen Läufen genießen konnte, äußerte mein Internist vor zirka zwei Wochen "offizielles Laufverbot".

 

Schon während der letzten Wochen spürte ich immer mal wieder, dass mein Kreislauf, vor allem Vormittags, abrupt abzusacken drohte; die Gliedmaßen nach dem Laufen zu wenig mit Blut versorgt wurden. Während des Laufens allerdings fühlte ich mich stets wohl. Dennoch Grund genug, um einen Facharzt aufzusuchen. Alle vorherigen Ärzt:innen hatten mir ihr "go" bezüglich des Laufens in der (Zwillings-)Schwangerschaft gegeben. Ein 24-Stunden EKG konnte dann exakt aufzeigen, dass mein Ruhepuls bei 100 - mein Puls beim Laufen schlappe 193 Schläge pro Minute betrug (ich laufe ansonsten bewusst ohne Brustgurt, da ich mein Körperempfinden in den letzten Jahren soweit geschult habe, dass ich Belastungsintensitäten selbst gut einschätzen kann.)

 

Da war er nun: Dieser Moment, den ich etwas gefürchtet hatte - wäre ich mit den Beiden doch gerne weiterhin gelaufen. Warum?

 

Der Grund hierfür liegt in meiner eigenen, ganz persönlichen Psychohygiene. Durch das Laufen habe ich mich in der Vergangenheit aus einer schweren Lebenskrise befreien können. "Ohne Bewegung" zu sein, ängstigt mich an manchen Tagen, lässt mich zuweilen unruhig werden. Wenngleich es auch andere Regulationsmechanismen gibt bin ich davon überzeugt, dass Bewegung für uns alle essentiell ist und gleichsam Psychohygiene bedeutet. Umso wichtiger erscheint es, dass werdende Mütter um jene Dinge wissen, die ihnen gut tun - diesen nachgehen - damit es auch ihrem Kind/ ihren Kindern gut gehen kann. Von der altruistischen Haltung "für Andere da zu sein, ohne dass es mir selbst gut geht" halte ich dementsprechend wenig und ist aus meiner (pädagogischen) Perspektive schier unmöglich. 

 

Das Laufen hat bis zuletzt das gleiche Gefühl in mir ausgelöst wie eh und je: Freiheit, Regulation, Zusammenspiel aller Körperfasern. Dennoch waren die letzten Laufeinheiten auch geprägt von bohrenden Blicken, salopp verfassten Sprüchen am Wegesrande oder auch zynischen Fragen die auf mein Verantwortungsbewusstsein gegenüber der beiden Kinder anspielen wollten. Ich durfte bemerken, dass Laufen mit einem großen Bauch wohl etwas ist, das "von der Norm" abweicht und deshalb unmittelbar vom Außen deutlich gemacht wird. Schade, dass wir Menschen zuweilen schlecht mit Andersartigkeiten umgehen können. 

 

Im weiteren Kontext

...und genauerer Betrachtung fiel mir immer mehr auf, welche Erwartungshaltungen, Vorurteile und Romantisierungen mit einer Schwangerschaft einhergehen.

 

"Du bist schwanger und solltest dich glücklich darüber schätzen" ist dabei eine gängige und häufig verbreitete Aussage, die ohne jedes Hintergrundwissen lapidar geäußert wird und zuweilen impliziert, dass eine Schwangere sich nicht beschweren sollte.

 

Um die Realität etwas mehr zu verdeutlichen und die Band "Wir sind Helden" zu zitieren: Eine Schwangerschaft ist weder: ,,..soundso". 

 

Sie ist stets individuell, ebenso wie jede Person, die schwanger ist. Bei Alledem gilt es hervorzuheben (und doch ist es für eine Schwangere selbstverständlich) dass sie sich auf ihr Kind / ihre Kinder freut. Unglaublich freut! Freut, über dieses große Wunder unseres Menschseins. Frustäußerungen, Anstrengungen, etc. schließen dieses große Glück nicht aus - sie addieren viel mehr Aspekte, die zu einer vollständigen, ganzheitlichen und authentischen Abbildung von Schwangerschaft beitragen.

 

Es ist wieder mal die Dialektik von Dingen, Sachverhalten, ja - unserem Leben, die es zu erwähnen gilt. Es gibt eine Welt zwischen "schwarz" und "weiß", zwischen "gut" und böse", zwischen "sinnvoll" und "bedenklich". Das ist die Welt, in der wir uns Alle bewegen.

 Unsere Realität. 

 

 

Bewegung?

 

Natürlich werde ich mich auch weiterhin, gemäß meines Pulses, bewegen. Momentan spaziere ich zum Beispiel gerne am Nachmittag in die Stadt - verfolge "waytorunyourcoffee oder trete für 20 Minuten in geringster Intensität das hauseigene Ergometer. Glücklicherweise gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um in Bewegung zu bleiben.

 

Ich wünsche euch eine gute Zeit!

 

Eure Sarah

 

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