DAS ist trailrunning: Meine Teilnahme am Transvulcania

Ich denke, es war im vergangenen Herbst als mich Lukas fragte, ob ich gemeinsam mit ihm nach La Palma reisen würde, um am Transvulcania teilzunehmen. Beeindruckt und fasziniert von seinem Vorhaben, die volle Distanz von 74 Kilometern und 4500 Höhenmetern bewältigen zu wollen konzentrierte ich mich fortan auf die Halbmarathondistanz von 24 Kilometern mit 2100 Höhenmetern im Aufstieg. Während meiner Recherche wurde zunehmend deutlich, dass der ,,Mediamarathon" , wie er von den Spaniern bezeichnet wird, exakt meine Stärke widerspiegeln würde: Ein Aufstieg von 2100 Höhenmetern bei parallel bestehendem downhill von lediglich 600 Metern. Das klang wie Musik in meinen Ohren.

 

Neben meinen wenigen Versuchen, mich dem Skifahren näher zu bringen hatte ich während des Winters die nötige Zeit, um die Laufdistanz innerhalb des Trainings zu erhöhen, denn vier Wochen vor dem Transvulcania würde ich im Rahmen des Istria100 die Marathondistanz laufen. Mental bedeutete das für mich eine neue Herausforderung. Vom Berglauf kommend hin zur Halbmarathondistanz im trailrunning würde ich nun Marathon auf trail bestreiten. Dies beinhaltete neben dem weiteren Aufbau von Kondition auch die Inklusion von Schnelligkeit über mehrere Stunden hinweg, die ich in Form von längeren Intervallen addierte. Bei all solchen Prozessen stand mir Lukas engmaschig zur Seite und half mir im hohen Maße bei der Vorbereitung beider Rennen. DANKE!

 

,,Paniert" und auch frustriert kehrte ich aus Kroatien zurück, da ich innerhalb des Rennens Fehler machte und aufgrund von Ernährung Leistungseinbußen zu verzeichnen hatte. Im Hinblick auf die anstehende Transvulcania, an die ich keinerlei Leistungsansprüche meinerseits stellte, wollte ich auf persönlicher Ebene einiges besser machen:

 

+ regelmäßig Kalorien zuführen/ essen

+ mir ein guter Freund sein, mich stets selbst validieren

+ eine interessante und, falls nötig, ausgiebige Unterhaltung mit mir selbst führen

+ die sich mir bietende Landschaft in vollen Zügen genießen

 

Am ersten Mai war es dann soweit: Wir flogen nach La Palma, eine der sieben bekannteren kanarischen Inseln. Nach unserer Ankunft dauerte es einige Stunden für mich, um den Ort in seiner Gänze (ja, seiner Vollkommenheit) zu fassen: Umzäunt vom atlantischen Ozean und beschützt von vulkanischem Gestein bei gleichzeitig bestehender Fülle an Flora und Fauna. Wow! Kann es einen solchen Ort wirklich geben? Scheinbar, denn wir befanden uns inmitten eines solchen.

 

Unmittelbar nutzten wir die, uns zu Füßen liegenden Gegebenheiten und ließen unsere Füße das tun, wofür sie bestimmt sind. Kein Tag glich dem anderen doch allensamt lag eine Einzigartigkeit inne, die mich immer wieder an Phil Collins Worte ,,think twice: It's just another day for you and me in paradise" erinnern ließen. Pures Glück.

 

Mit Beendigung unserer ersten fünf Tage auf La Palma ging auch die letzte Woche vor dem Rennen zu Ende und mit Bedenken sah ich meine Wochenkilometer der letzten Tage an: 92. Mhm. Jetzt musste es ruhiger werden denn auch wenn mein Rennen nur wenige Stunden andauern würde forderte insbesondere der uphill geschmeidige Beine. So geschehen gingen wir die letzten Tage vor dem Rennen gemütlich an und regenerierten. La Palma ist nicht nur ein reines Laufparadies sondern bietet neben zahlreichen einzigartigen Stränden auch kulturelle Aktivitäten.

 

Den Donnerstag nutzten wir Beide für eine Sportmassage. Ich hoffte auf Lockerung meiner Wade und Plantarfaszie, da ich vor Istrien erneut Probleme mit meinem Fersensporn bekam und welcher seither das Laufen negativ beeinflusste. Bevor ich mich durchkneten lassen konnte, trat John Albon aus dem Zimmer. Nachdem Lukas bearbeitet wurde, folgte Megan Kimmel. Offensichtlich wurde, was theoretisch bereits klar war: Die Transvulcania würde ein Rennen bedeuten, welches auf internationaler Ebene einige der besten trailrunner der Welt beherbergt.

 

Am Freitag wuchs meine Nervosität stetig und da wir Sonntag bereits die Heimreise antreten würden aber Samstag (aufgrund eines gewissen Vorhabens) keine Zeit hatten, mussten wir uns ans Packen begeben. Im weiteren Verlauf würde der Wecker um 02:40 Uhr klingeln - kleiner Snack - Busfahrt von Los Cancajos nach Fuencaliente - Frühstück - Napping.

 

Um 04:45 Uhr erreichten wir in der Dunkelheit die Vulkangegend oberhalb des Leuchtturms von Fuencaliente. Hunderte von LäuferInnen mit Stirnlampen machten sich auf den Weg hinab zum Startpunkt des Ultras. Obwohl ich selbst erst um 07:30 Uhr starten würde war es mir sehr wichtig, Lukas auf seinem Weg zum Start zu begleiten. Einer der essentiellen Aspekte des trailrunnings den ich während der letzten Jahre gelernt habe ist der bedingungslose Support - die wertschätzende Begleitung eines Menschen auf seiner (Lauf-) Reise. 

 

Um 05:20 Uhr trennten sich unsere Wege und Lukas begab sich zum Startpunkt seines Rennens auf Meereshöhe. Meine Gedanken waren an diesem frühen Morgen sehr stark bei ihm. Klar, ich selbst würde heute ebenfalls ein Rennen bestreiten aber sein Vorhaben war doch eine größere Herausforderung auf mehreren Ebenen.

 

Schlussendlich ertönte um 06:00 Uhr das Startsignal und 962 Lichter begaben sich auf ihren Weg einer atemberaubenden Reise. Unterstützt von lauthals singenden Spaniern erliefen sie die ersten Meter rund um den Leuchtturm und im vorderen Feld konnte ich sogar Lukas entdecken und ihm das letzte Mal zurufen. 

 

Nun wurde es ruhiger um den Startbereich doch ich konnte noch lange Zeit die ellenlange Schlange an leuchtenden LäuferInnen bergaufwärts beobachten. Was ein Schauspiel! 

 

Um 07:15 Uhr begab auch ich mich in die Startbox und konnte indes einige, mir bekannte Gesichter ausmachen. Ich würde also heute mit Luis Alberto Hernandez, Sheila Aviles, Yngvild Kaspersen, etc. starten. Nachdem wir in den letzten Minuten vor dem Rennen mit ACDC so richtig angeheizt wurden ging es pünktlich um 07:30 Uhr in schnellem Tempo in Richtung Vulkangestein. Inzwischen war es bereits hell geworden und in nicht all zu langer Zeit würde sicherlich die Sonne aufgehen, so dachte ich. Noch stark darauf bedacht, zu Beginn die Geschwindigkeit nicht all zu hoch zu halten, fand ich umso schneller in einen guten Rhythmus hinein. 

 

Auf der Vulkanstrecke angekommen vergegenwärtigte ich mir die Einzigartigkeit dieser Landschaft, dieses einen Rennens. Gleichzeitig war ich im kontinuierlichen Kontakt mit meinem Körper. Ich hörte meiner Atmung genau zu - das konnte ich, da ich erstmalig ohne Musik in den Ohren lief. Eine Anregung, die von Lukas stammte mit dem Hintergrund, mich vermehrt auf körpereigene Signale konzentrieren und, wenn notwendig, auf solche prompter reagieren zu können. (Einer solcher Punkte, der in Istrien weniger gut funktioniert hatte)

 

Jetzt trat Sonne in mein Blickfeld und erhellte das vulkanische Gestein rund um uns herum während der Wind meine Haare hin und her flackern ließ. Noch war die Temperatur sehr angenehm und so liefen wir vorwärts in Richtung Los Canarios, welches meine erste Verpflegungsstelle darstellen sollte. Bereits einige Kilometer zuvor konnte ich Gepfiff, Geklatsche und Rufe ausmachen. Wenig später entdeckte ich die ersten Supporter, die sich am Wegesrand positioniert hatten um uns anzufeuern. Ich musste lächeln und signalisierte ihnen mit erhobenem Daumen meine Dankbarkeit ihrer Anwesenheit. Nach einem kleinen aber steilen Wadenbeißer erreichten wir die Teerstraße, die uns nun bis zur Labstation bergauf führen würde. Hunderte von Menschen standen links und rechts von uns - riefen, schrien, tanzten. Inzwischen hatte ich zu einer spanischen Läuferin aufgeholt, die ich ein Tag zuvor beim AthletInnentreff gesehen hatte. Gemeinsam mit ihr lief ich in den feiernden Pulk, der sich um die Verpflegungsstelle gebildet hatte. Begrüßt wurden wir mit ,,Ola Chicas" , ,,Brava, brava".

 

Diesen Moment, der von solch einer Wertschätzung dem gegenüber steht, was ich tagtäglich mache, was ich liebe, werde ich wohl nie vergessen. Mir standen Tränen der Rührung in den Augen. All diese Menschen hatten sich zusammengetan - versammelt - um uns LäuferInnen zu unterstützen. 

 

An der Labstation selbst trank ich einen Schluck Wasser - auffüllen musste ich meine Flasks noch nicht. Von nun an liefen wir mir bekannte Pfade. In unseren ersten Tagen auf La Palma besuchten Lukas und ich u.a. den Streckenabschnitt von Los Canarias bis Las Deseadas. Auch ergab sich an dieser Stelle ein Frauen-3er-Gespann aus zwei Spanierinnen und mir. Da der Untergrund von gepflasterten Steinen jetzt zu losem, schwarzen Sand über wechselte, versuchte ich es einer der Beiden gleich zu tun und dem rutschigen Untergrund so gut es ging seitlich auszuweichen. In dieser Konstellation liefen wir eine Zeit lang gemeinsam bis ich Beide ziehen lassen musste, während ich das Tempo reduzierte um einen halben Riegel zu mir zu nehmen. Um nicht dem gleichen Schicksal wie in Istrien zu erliegen, lag der Fokus in solchem Moment auf der Ernährung und daher konnte ich gut mit meiner Entscheidung, langsamer zu werden, umgehen. 

 

Auch im weiteren Verlauf der Strecke nahm die Steigung nicht ab und so erreichte ich bald Las Deseadas - meine zweite und letzte Verpflegungsstelle. Hier musste ich Wasser nachfüllen um die letzten positiven Höhenmeter in der, mittlerweile hoch stehenden Sonne, zu bewältigen. Um mich herum die Vulkanlandschaft und im Hintergrund liegend der Atlantik mit Teneriffa in der Ferne. Wieder vergegenwärtigte ich mir die Naturschönheit solchen Ortes, an dem ich jetzt gerade sein durfte. 

 

Mit dem dritten Gel intus begab ich mich schlussendlich auf die letzten sechs Kilometer, die den downhill bis nach El Pilar - meinem Ziel des heutigen Rennens, beinhalten würden. Durch den tiefen Sand war das bergab laufen in schnellerem Tempo möglich und so konnte ich nach 2000 Höhenmetern das erste Mal während des Rennens im Laufen regenerieren. Innerhalb solchen Moments fand ich Energiereserven, die mich die letzten Gegenanstiege hinauf liefen ließen. Die Kilometer schrumpften und so wuchs schlussendlich auch meine Ambition, jetzt nochmals alles rauszuhauen. Welcome to the jungle!

 

Nach 03:24 Stunden erreichte ich mein Ziel im ,,Refugio El Pilar" wo abermals zahlreiche Menschen auf die LäuferInnen warteten und diese gebührend in Empfang nahmen. Ein Gefühl von tiefer Dankbarkeit überkam mich - blieb bestehen und hält bis zum jetzigen Moment an, in dem ich diese Zeilen schreibe. Das Laufen abseits der Straße offeriert die Möglichkeit, mich mit der Natur zu verbinden - zu sein. Die Teilnahme am Transvulcania konnte mir diesen Aspekt auch während eines Rennens bieten. Zusätzlich konnte ich als elfte Frau Gesamt finishen und bin rundum zufrieden mit diesem Rennen, denn es war ...,,just another day in paradise"

 

Eure Sarah

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